Orte: Bansin, Berlin, Chemnitz, Dresden, Greifenstein, Leipzig, Zwickau und andere Orte in Deutschland; Szczecin (Stettin) in Polen; Saint Petersburg, South Pasadena und andere Orte in den USA Quellentypen: Tagebuch (Jugendtagebuch, Reisetagebuch): 1 Band; Korrespondenz (Freundinnenkorrespondenz, Korrespondenz aus der Emigration): 131 Schreiben; ca. 50 Fotografien Zum Bestand: Schreiberin: Sibylle S. (geb. A.), geb. um 1923 in Wien, konkrete Lebensdaten unbekannt
Übergeberin: Eva K. (Tochter einer Jugendfreundin von Sibylle S.), 2018
Sibylle S. ist gemeinsam mit einer Schwester in Wien Hietzing aufgewachsen, ihre Mutter stammte aus Deutschland, ihr Vater war Arzt.
Der vorliegende schriftliche Nachlass von Sibylle S. umfasst zwei Teile. Einerseits ist ein Fertigtagebüchlein erhalten, das sie als Schülerin 1937 geführt hat. Das kleinstformatige Büchlein hat die Maße 7 mal 7 Zentimeter, Goldschnitt und ein gemaltes alpines Motiv am textilen Einband. Es ist auf 19,5 Seiten etwa zu einem Drittel beschrieben, Inhalt sind die Ferien von Juli bis September 1937. Die Schülerin berichtete dabei von ihrer Reise und dem Aufenthalt bei ihrer Tante in Leipzig und der Großmutter in Chemnitz sowie von einer Rundreise mit dem Auto durch Nord-Ostdeutschland. Dabei wurden Besuche bei Verwandten, „Muttis Geburtshaus“ und dem Cousin Heiner im Jungvolklager beschrieben, aber auch traditionelle sowie zeitgenössische Sehenswürdigkeiten wie das Olympiastadion oder das Völkerschlacht Denkmal: „Die Großeltern holten mich mit einem fabelhaften Horchauto ab u. nachdem wir Ursel’s Mutti einen Besuch gemacht hatten, fuhren wir, vorbei am Völkerschlachtsdenkmal nach Chemnitz.“. Geschildert werden des weiteren erhaltene Geschenke, Speisefolgen, Tagesabläufe und das Reisen an sich: „Eines Tages stiegen wir eben wieder ins Auto und suchten einen anderen Ort.“ Die Aufzeichnungen enden mit dem Vermerk „18. Sept. Abfahrt. Glückliche Heimkehr.“
Während der NS-Zeit flüchtete die Familie nach New York. Nähere Informationen zu den Umständen oder der Organisation der Flucht liegen bisher nicht vor, vermutlich wurde Sibylle S.s Vater im Holocaust rassistisch verfolgt und zur Emigration gewzungen. 1943 heiratete Sibylle S. Maks A. S., einen aus Beograd (Belgrad) gebürtigen Flugbauingenieur. Sie hatten zwei Söhne, aufgrund der Berufstätigkeit des Ehemannes wechselte die Familie häufig den Wohnsitz. Ab Mitte der 1960er-Jahre arbeitete Sibylle S. in der Verwaltung einer Kleinstadt in Florida.
Aus dem Zeitraum von Februar 1971 sind 131 Briefe erhalten, die sie aus dem Exil in Florida an ihre Jugendfreundin Ilse K. (geb. L., NL 241 VI) in Wien geschrieben hat. Diese hatte über eine weitere gemeinsame Bekannte Sibylle S.s Adresse erhalten und den Kontakt aufgenommen. Der zweite Brief von Ilse K. ist der Korrespondenz ebenfalls beigelegt. Bis September 1997 schrieben sich die zwei Frauen nun regelmäßig, die Briefe sind zum Großteil mit der Schreibmaschine verfasst, teilweise auf dünnem Flugpapier oder Kuvertbriefen. Häufig sind den Schreiben auch Postkarten und insbesondere Fotografien beigelegt. Diese zeigen zumeist die Mitglieder von Sibylle S.s US-amerikanischer Familie.
In den frühen Briefen tauschten die Freundinnen Erinnerungen aus und informierten sich gegenseitig über ihre bisherigen Lebenswege. Über die Jahrzehnte nahm Sibylle S. nun brieflich regen Anteil am Leben der Familie K. und L. und berichtete ihrerseits von aktuellen Ereignissen in ihrem eigenen persönlichen Umfeld. Der späteste vorliegende Brief enthält Fotografien von einem Besuch in Österreich im Sommer 1997, worüber sie auch eine kurze Zeitungsnotiz veröffentlich hat. |