Archivgut Nachlass

Lilli W.-W. NL 21 II

Juli 1894 bis November 1981

Weitere Informationen

Einrichtung: Sammlung Frauennachlässe | Wien
Jahr: Juli 1894 bis November 1981
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
<p><b>Orte: </b>Unterach am Attersee in Oberösterreich, Wien; Kopenhagen und andere Orte in Dänemark; verschiedene Orte in Deutschland; verschiedene Orte in Norwegen; verschiedene Orte in der Schweiz; New York City und Staten Island in den USA; Kriegsschauplätze im 1. Weltkrieg: Lassing in der Steiermark; Orte an der Front/Kriegsschauplätze im 2. Weltkrieg: Amstetten in Niederösterreich u.a.</p>
<p><b>Quellentypen: </b>Tagebuch (Kindertagebuch, Jugendtagebücher, Frauentagebücher, Müttertagebücher, während dem 1. Weltkrieg geführtes Tagebuch): 6 Bände; Aufzeichnungen in Buchform: 23 Kalender (tw. mit tagebuchähnlichen Aufzeichnungen), 1 Tourenbuch; Korrespondenz (Feldpost aus dem 1. und 2. Weltkrieg, Familienkorrespondenz, Kinderkorrespondenz, Paarkorrespondenz, Freundinnenkorrespondenz, Korrespondenz aus der Emigration): ca. 920 Schreiben; 102 amtliche und geschäftliche Dokumente; Dokumente zur Schul- und Berufslaufbahn: 36 Schulhefte, 8 Zeugnisse, 3 Schulberichte; 2 Mitgliedskarten; autobiografische Aufzeichnungen: Texte (tw. Lebensläufe, tw. Dupletten, ca. 70 Seiten); 263 Fotografien (tw. in 2 Fotoalben); literarischer Nachlass; Weiteres: Metallschatullen, Sportabzeichen, Zeichnungen</p>
<p><b>Zum Bestand: </b>Schreiberin/Adressatin: Lilli W.-W. (geb. W.); 1894-1987, geb. und gest. in Wien

Übergeber: Ing. Hans-Heinz W. (Sohn von Lilli W.-W.), 2000-2006



Lilli W.-W. (geb. W.) war die Tochter des Fabrikant:innenehepaares Emilie W. (geb. S., 1873-1955) und Emil W. (1856-1925). Sie wuchs in einem großbürgerlichen Wiener Umfeld auf, die Familie war kulturinteressiert und unternahm zahlreiche Reisen ins Ausland, die Sommermonate wurden in der eigenen Villa in Unterach am Attersee in Oberösterreich verbracht.

Lilli W.-W. erhielt eine moderne Erziehung: Sie besuchte die Mädchenschule von Eugenie Schwarzwald (1872-1940), lernte Radfahren und betrieb Wintersport. 1910 nahm sie an einem internationalen Abfahrtslauf am Semmering teil.

Mit 19 Jahren heiratete sie Friedrich Ludwig W. (1886-1968). Er war in einer Wiener Beamtenfamilie aufgewachsen und Angestellter in der Firma ihres Onkels Lajos S.. Im Jahr der Heirat waren Lilli W.-W. und ihre Eltern gemeinsam vom mosaischen zum evangelischen Glauben übergetreten.

In den ersten Jahren des Ersten Weltkriegs war Lilli W.-W. mit Unterbrechungen im Kinderheim des Schwarzwald‘schen Wohlfahrtswerks tätig. Friedrich W. war als Offizier eingerückt, Lilli W.-W. begleitete die Garnison ihres Mannes für einige Monate. 1917 und 1919 kamen die beiden Söhne Fritz und Hans-Heinz W. zur Welt. Lilli W.-W. lebte mit ihrer Familie in einer komfortablen Wohnung in Wien Alsergrund. Das Haus gehörte den Eltern, die ein Stockwerk höher wohnten. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters 1925 wurde auf Betreiben des Ehemanns die Ehe von Lilli W.-W. getrennt, sie zog mit ihren kleinen Söhnen zur Mutter in die elterliche Wohnung. Seit ihrer Trennung war sie als Schriftstellerin tätig, die Sommermonate verbrachte sie gemeinsam mit den Kindern an verschiedenen Orten in Österreich. Nachdem sie in den Jahren der Wirtschaftskrise das Meiste ihres Vermögens verloren hatten, lebten Emilie W. und Lilli W.-W. hauptsächlich von den Zinserträgen ihrer Mietshäuser.

Bereits vor Beginn des Zweiten Weltkriegs ließen sich beide Söhne von Lilli W.-W. zum Militär verpflichten. Aufgrund ihrer jüdischen Vorfahrinnen und Vorfahren wurden sie 1942 aus der Deutschen Wehrmacht entlassen. Die Mutter Emilie W. wurde als konvertierte Jüdin in das Konzentrationslager Theresienstadt (Terezín) deportiert. Mehrere Mitglieder der weitverzweigten Familie wurden im Holocaust ermordet. Lilli W.-W. war aufgrund ihrer Ehe mit dem Katholiken Friedrich W. vor einer Deportation geschützt, wurde aber zum Arbeitsdienst u.a. beim Radioerzeuger Kapsch verpflichtet. Nach Kriegsende nahm sie einen Posten bei der amerikanischen Briefzensur an, den sie nach der Rückkehr ihrer Mutter aus der Internierung zu Weihnachten 1945 aufgrund von deren schlechter körperlichen Verfassung wieder aufgab.

Im gemeinsamen Haushalt von Lilli W.-W. und Emilie W. lebten zeitweise auch die inzwischen erwachsenen Söhne mit ihren Familien. Fritz W. war als Architekt tätig, Hans-Heinz W. als Chemiker. 1960 verkaufte Lilli W.-W. das letzte in ihrem Eigentum verbliebene Zinshaus in der Bleichergasse am Alsergrund (in dem sie auch wohnte) und übersiedelte in eine Zweizimmerwohnung am Hernalser Gürtel. Während der Schulzeit betreute sie tagsüber zwei ihrer Enkelkinder, in den Ferien engagierte sie sich u.a. als Betreuerin in Ferienlagern.

Der schriftliche Nachlass von Lilli W.-W. enthält 102 amtliche und geschäftliche Dokumente. 25 dieser Schreiben belegen die Ehetrennung von Friedrich W. 1925, 65 Dokumente (u.a. Vorschreibungen der so genannten "Judenvermögensabgabe") dokumentieren die Repressionen gegen Jüdinnen und Juden in der NS-Zeit.

Ihre 5 vorliegenden Tagebücher hat Lilli W.-W. auf unterschiedliche Weisen verwendet. Die Einträge in ihrem im Februar 1905 begonnenen Mädchentagebuch reichen nur bis August desselben Jahres, zwischen Mai 1906 und Juni 1926 hat sie sporadisch persönliche Erlebnisse in Gedichtform eingetragen. Diese Form wird in einem zwischen April 1926 und Juni 1928 beschriebenen Buch fortgeführt, Inhalt sind hier v.a. ihre Gedanken über eine Liebesbeziehung, die sie in dieser Zeit (vermutlich) unterhielt. Der mit "Das Sonntagsbuch" betitelte Band ist ebenfalls nur zur Hälfte beschrieben, er enthält Einträge ab 19. Oktober 1913, in denen Lilli W.-W. über Ausflüge und Sportaktivitäten berichtet, die sie als junge Ehefrau mit Friedrich Ludwig W. unternommen hat. Hier sind auch einzelne Fotos eingeklebt oder eingelegt. Die weiteren zwei Bände von Dezember 1918 bis März 1923 sind voll beschrieben. In diesen Büchern, die zahlreiche Einlagen enthalten, beschreibt Lilli W.-W. v.a. die Entwicklung ihrer beiden kleinen Buben sowie Ereignisse innerhalb der Familie. Von 1949 bis 1984 sind insgesamt 23 Kalender mit tagebuchähnlichen Einträgen vorhanden.

Der Korrespondenzbestand von Lilli W.-W. im Umfang von ca. 920 Schreiben umfasst Schriftstücke aus der Zeit von ihrer Kindheit bis ins hohe Alter. Von der Hochzeitsreise nach Skandinavien von Juni bis September 1913 sind 44 Schreiben an die Eltern vorhanden. 47 ebenfalls an die Eltern adressierte (Feld)Postkarten hat sie zwischen Juni 1914 und Juli 1915 u.a. aus Lassing in der Steiermark geschrieben, wohin sie ihren eingerückten Ehemann begleitet hat. Von Oktober 1938 bis August 1941 liegen 196 Feldpostschreiben an den Sohn Hans-Heinz W. in Amstetten in Niederösterreich vor.

An Lilli W.-W. adressiert sind u.a. 18 zwischen März 1931 und August 1932 verfasste, umfangreiche Liebesbriefe eines Verehrers.

Der aufrecht erhaltene Kontakt mit ihrer ehamligen Lehrerin Eugenie Schwarzwald ist anhand von zwei Briefen (Juni 1930 und April 1939) dokumentiert. Von Lilli W.-W. ehemaliger Schulkollegin Margarete K. (geb. Moller, 1893-1979) sind 71 Briefe erhalten, die sie zwischen 13. Oktober 1960 und 22. November 1981 aus der Emigration in Staten Island in den USA nach Wien geschrieben hat. Sie hatte in Wien als Journalistin, Lehrerin und Schriftstellerin gearbeitet, im November 1939 flüchtete sie vor dem Holocaust in die USA. Ihre drei Kinder kamen mit „Kindertransporten“ nach Großbritannien. Die Briefe sind zum Großteil mit Maschine geschrieben, Beginn ist der Rückkehr von einem Besuch in Österreich: „Der Abschied von Öoesterreichviel mir diesmal etwas schwerer als die vergangenen Male, 1939 dankte ich Gott, dass ich herauskam, 1949 war Wien {mitsamt den Wienern} ein trautiger Anblick“ (13. Oktober 1960). Einzelne weitere Schreiben haben auch Angehörige von Margarete K. an Lilli W.-W. adressiert.

Der Großteil der 263 vorhandenen Fotografien besteht aus Porträtaufnahmen aus den ersten beiden Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts. Eines der beiden vorliegenden Fotoalben beinhaltet 24 Aufnahmen aus der Zeit der Jahrhundertwende von Angehörigen der Familie des Ehemannes von Lilli W.-W. in aufwändigen Kostümen.

An Gegenständen sind u.a. Metallschatullen zur Aufbewahrung von Briefen und Wintersportvereinsabzeichen vorhanden. Lose Unterlagen sind u.a. Belege der Theaterbesuche von Lilli W.-W., verschiedene Rechnungen sowie Lebensmittelmarken bzw. Bezugsscheine.

Der umfangreiche literarische Nachlass von Lilli W.-W. beinhaltet sowohl veröffentlichte Texte (u.a. als Fortsetzungsromane in Zeitschriften, zwei Monografien) als auch Manuskripte von Erzählungen und Gedichten. Aus 1931 und 1945 sind je eine Mitgliedskarte der "Genossenschaft dramatischer Schriftsteller und Komponisten Wien" erhalten.



Zum Nachlass von Lilli W.-W. liegen umfangreiche Nachträge in grober Ordnung vor. U.a. sind das ein Jugendtagebuch ihres Sohnes Ing. Hans-Heinz W. (von 1933 und 1934), ein Tourenbuch von ihm und verschiedene autobiografische Aufzeichnungen (ca. 220 Seiten, ms).



Autobiografische Texte von Ing. Hans-Heinz W. sind Teil der Bestände der Dokumentation lebensgeschichtlicher Aufzeichnungen.</p>
Anmerkung:
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