Buch Monografie

Rasse, Gene und Geschlecht : Zur Konstituierung zentraler biologischer Begriffe bei Richard Goldschmidt und Fritz Lenz, 1916-1936

Verfasst von: Satzinger, Helga
Berlin: Max-Planck-Society , 2004
Weitere Suche mit:

Weitere Informationen

Einrichtung: GenderOpen
Link: Volltext
Verfasst von: Satzinger, Helga
Jahr: 2004
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
Die Entwicklung und Akzeptanz genetischer Konzepte der 1920er und 30er Jahre waren durch rassen- und geschlechterpolitische Prämissen bestimmt. Deutlich wird dies in der Gegenüberstellung der wissenschaftlichen Arbeiten von Fritz Lenz und Richard Goldschmidt, führender Genetiker am Kaiser-Wilhelm-Institut für Biologie und 1936 zur Emigration gezwungen. Der Rassenhygieniker Lenz vertrat das Ideal einer streng dichotomen Geschlechterordnung als Teil völkischer Überlegenheitsansprüche der Nordischen Rasse und der Forderung nach Rassenreinheit. Dagegen war die Vorstellung von einer Kontinuität zwischen zwei Geschlechtern Teil einer politischen Agenda, in der Rassenzugehörigkeit und -reinheit nicht als soziales Ordnungskriterium fungierten. Zu diesem politischen Konflikt gehörten zwei alternative genetische Konzepte. Die US-amerikanische Schule um Thomas Hunt Morgan lieferte Lenz ein Konzept eindeutiger Gene für eine biologisch begründete Rassen- und Geschlechterdifferenz. Goldschmidts Konzept tat dies nicht. Es war anhand der Vererbung und Ausbildung des Geschlechts mittels Kreuzung verschiedener geographischer Populationen von Insekten entwickelt. Diese „Rassenkreuzungen“ ergaben „intersexuelle“ Tiere mit uneindeutigem Geschlecht und dienten Lenz als Beweis, daß „Rassenmischung“ beim Menschen zu Degeneration führe, da sie die Geschlechterdifferenz verwische. Im Konflikt um die beiden Genkonzepte waren Rasse und Geschlecht keine analogen Kategorien zur Klassifikation von Menschen, sondern bedingten sich gegenseitig. Die Wahl des Genkonzepts war mit dem politischen Ziel verbunden: Rassen- und Geschlechterhierarchie oder liberale Koexistenz verschiedener Menschen ohne rassistische Trennungslinien. // Comparing the scientific work of Richard Goldschmidt and Fritz Lenz proves that the development and acceptance of genetic concepts were determined by conflicting political agendas of the 1920s in the fields of race and gender. Strict gender dichotomy was part of the claim that the pure Nordic race was the superior one, whereas the model of continuity between two poles of opposite gender was part of a political agenda where racial purity and supremacy of one race was irrelevant. Two alternative gene concepts were part of this conflict. The concept of the US-American group around Thomas Hunt Morgan provided reliable genes which could be used as a biological basis for racial and gender difference. The concept of Richard Goldschmidt, however, did not provide the necessary unambiguity as its genes could vary in their potency to produce certain phenotypic characters. Goldschmidt, leading geneticist at the Kaiser-Wilhelm-Institute for Biology in the 1920s and forced to emigration in 1936, developed his gene concept by investigating the inheritance and determination of sex. Crossbreeding various geographic populations, or “races”, of insects had brought about animals without a clear binary sexual distinction. Lenz used these “intersexes” as the proof for his claim that miscegenation will lead to degeneration in humans while eroding the difference between men and women. The conflict over the appropriate concept of the gene shows that race and gender were not used as analogue but interdependent categories to classify humans. It also proves that the choice for one of the two gene concepts was linked to diverging political agendas, racial and male superiority on the one side and liberal coexistence of various people on the other.
Gesamten Bestand von GenderOpen anzeigen
Datensatz im Katalog der Einrichtung anzeigen

Standort

GenderOpen Repositorium

Ein Repositorium für die Geschlechterforschung.
Eine Kooperation des Margherita-von-Brentano-Zentrum an der Freien Universität Berlin, dem Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität und zu Berlin und dem Zentrum für interdisziplinäre Frauen- und Geschlechterforschungan der Technischen Universität Berlin