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Knallbum, sei mein Prinzlein fein: wie aus Fröschen Prinzen werden

Verfasst von: Weiland, Daniela
in: EMMA
1996 , Heft: 1 , 36-41 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1996-1-a
Formatangabe: Glosse; Satire
Link: Volltext
Verfasst von: Weiland, Daniela
In: EMMA
Jahr: 1996
Heft: 1
Beschreibung: Ill. Franziska Becker
ISSN: 0721-9741
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Knallbumm, sei mein Prinzlein fein
Wie aus Fröschen Prinzen werden
Im Leben muß man so manche Kröte schlucken. Müssen wir Frauen da auch noch Frösche als Mann haben? Fast sieht es so aus, als gäbe es gar keine anderen Männer. Ob in der Literatur, ob in der Werbung, überall wird das Märchenmotiv vom Froschkönig bemüht, um die Situation der modernen Frau zu charakterisieren, wenn es darum geht, den "Richtigen" zu finden. Nun mag es ja noch angehen, daß sich das angeblich "zarte Geschlecht" mit der Prinzessin identifiziert - aber daß Männer sich (freiwillig!) im Frosch wiedererkennen, das ist doch bemerkenswert. Allerdings ist es nicht so, wie Prinzessin vielleicht meinen möchte. - Daß er sich als Frosch nun recht schämte und selbstkritisch darauf aus wäre, recht bald erlöst zu werden. Im Gegenteil. "Manchmal muß man ganz schön viele Frösche küssen, bis ein Prinz darunter ist." Dieser Spruch ist öfter an den Türen von Damentoietten zu lesen - und das ist auch schon die ganze heutige Philosophie. Die HB-Zigaretten-Werbung ist nur eine von vielen, die diese Botschaft aufgegriffen hat: Die moderne junge Frau ist "offen für den Richtigen", und sie hat die Auswahl zwischen Frosch Nr. 1, Frosch Nr. 2, Frosch Nr. 3 usw. usf... Zwei hat sie schon geküßt. Ob Nr. 3 endlich in Wahrheit ein Prinz ist? Die Frau von heute kennt keinen Schmerz. Wie Sysiphus seinen Stein unbeirrt den Berg hinaufrollt, so küßt sie sich durch ganze Froschtümpel. Im 19. Jahrhundert wäre das der Stoff für mehrere schicksalsschwangere Tragödien gewesen, heute gehört das zum Genre Unterhaltungsliteratur. Damals galt "so eine" Frau als "Opfer", heute ist sie Heldin. Viele der aktuellen Frauenromane, die auf der Emanzipationswelle reiten,erzählen die immer gleiche Geschichte: Frau schläft sich - selbstverständlich ohne den Humor dabei l zu verlieren - durch den ganzen Froschteich - aber kein Prinz war darunter. Nach all den Froschnächten jedoch ist frau keineswegs verzweifelt und am Boden zerstört. Nein, sie bleibt stark, cool, souverän. Ein Frosch nach dem anderen wird als Frosch entlarvt, seziert und unter Hohngelächter abserviert. Das ist wohl das Geheimnis dieser Bestseller. Denn die Prinzessinnen aller Herren Länder lachen herzhaft mit. Der eine Frosch hat diese Macke, der andere jene. Wie komisch! Vielleicht läßt sich mit der Frosch-Lektüre die eigene unendliche Geschichte vergeblicher Küsserei besser verdauen. Wer zuletzt lacht, lacht ja angeblich am besten.

Allerdings lachen nicht nur die Prinzessinnen, auch die Frösche lachen mit. Und zwar in den Bilderwitzen. "Bitte, bitte küß mich nicht, ich will so bleiben wie ich bin", ruft das ganze Frösche-Kollektiv. Da zeigt sich, was Männer von der ganzen Veränderungs- und Erlösungssucht der Frauen halten. Sie spotten über diese Weltverbesserinnen, die nichts so lassen können, wie es ist. Die nichts anderes im Sinn haben, als den Fröschen nachzustellen, um sie zu verwandeln -ganz gegen deren Natur! Und die Prinzessinnen von heute wollen die Frösche aus ihren geliebten Schlammpfützen herauszerren, wo sie doch leben und glücklich sind, so ganz in ihrem Element! Die Frösche finden das alles ekelhaft, denn sie sind ja ganz zufrieden mit ihrer Existenz: Sie wollen in keinem Schloß leben, geschweige denn in Prinzen verwandelt werden. Das finden sie langweilig: Immer höflich, immer comme il faut, gepflegt und mit Manieren, an der Seite ihrer Prinzessin, Verbeugung hier, Verbeugung da, repräsentieren, dinieren, konversieren... und sich auch noch um die Kinder und den Haushalt kümmern. Kurz und gut, so ein Leben ist ihnen zu anstrengend. Wie schön ist es da doch in der Pfütze auf La Strada: Einfach in den Tag hineinleben, saufen, rülpsen, furzen, huren, zuschlagen: einfach nur der Zampano sein! Frösche und Prinzessinnen, natürlich sind das Zerrbilder - und doch haben sie einen wahren Kern. Es gibt sie ja wirklich, diese Stehauffrauchen: Die lernen doch nichts dazu. Die hängen eben an ihrer Illusion, daß er irgendwo zu finden sein müßte, der sogenannte "Richtige". Und sie küssen und küssen. Auf der anderen Seite annoncieren Männer immer wieder in Bekanntschaftsanzeigen, daß der Frosch nun doch endlich erlöst werden möchte. Er hat das Leben im Brunnen satt und sucht eine Märchenprinzessin, die ihn freiküßt. Da ist die Prinzessin sehr gerührt über so viel guten Willen und übersieht, daß ihr die ganze Küsserei überlassen bleibt. Wie die Geschichte ausgeht, ist klar: Es handelt sich hier um froschspezifisches Balz- und Werbungsverhalten. Sobald die Gute nämlich mit ihrem Erlösungswerk beginnt, wehrt der Frosch sich mit Klauen und Zehen.

Früher hat man vom Kampf der Geschlechter gesprochen, immerhin ist das ein Bild, das Mann und Frau gleichermaßen aktiv im Kampf um die jeweils eigenen Interessen zeigt. Heute aber kämpfen Männer und Frauen noch nicht einmal miteinander. Das Bild der Prinzessin mit dem Frosch stellt eines dar: den ungeheuren Abstand, der zwischen den Geschlechtern herrscht. Die Frau ist überlegen -und sie ist allein. Wenn sie die Einsamkeit übewinden will, muß sie entweder den Frosch 'erlösen, oder sie muß sich in die Niederungen des Frosches hinablassen. Ob sie sich nun daran macht, ihn zu erlösen, oder ob sie sich auf ein Froschleben einstellt, beide Wege kosten viel Müh' und fordern vor allem Selbstaufgabe - dem Frosch aber mag es gefallen. Der zu Erlösende wartet passiv, daß seine Fesseln gelöst werden. Er braucht also gar nichts zu tun, während der Erlöser alles tun muß. Die Rolle der Erlöserin ist eine denk- bar undankbare, und trotzdem gibt es so viele Frauen, die doppelt geben, wo der Mann gar nichts gibt. Das sind diejenigen, die sich dann später in der "Wenn Frauen zu sehr lieben"-Selbsthilfegruppe wiederfinden. 1986 hatte die kalifornische Ehetherapeutin Robin Norwood ein Selbsthilfebuch "für liebessuchtkranke" Frauen geschrieben. Daß das Buch so einschlug, wirft ein Schlaglicht darauf, wie viele Prinzessinnen es gibt, die einen Frosch zu Hause hocken haben. Und alle waren offensichtlich mit ihrem Erlösungsprogramm gescheitert. Der Frosch wäre ja auch schön blöd gewesen, mit der Prinzenrolle zu tauschen. Solange die Frau noch hofft, investiert sie. Könnte es ihm jemals besser gehen?

Die andere Variante folgt dem Motto: "Prinzessin - ab in den Teich! Es gibt
keine Prinzen! Werde zur Fröschin." Hier ist besonders hervorzuheben das Buch von Barbara De Angelis: "Männer. Was jede Frau wissen sollte". In dieser "Anleitung zum besseren Verständnis des anderen Geschlechts" wird im Vorwort dargelegt, daß es sich bei Männern um Wesen handelt, die zwar "menschenähnlich aussehen", aber "wenn man die enormen biologischen, psychologischen und sozialen Unterschiede zwischen uns betrachtet, könnten Männer tatsächlich von einem anderen Planeten sein." Es folgen 276 Seiten Handlungsanleitung, was im Umgang mit dem Frosch zu berücksichtigen sei, gipfelnd in dem Hinweis, daß Männer Fellatio lieben und es sie "schwer kränkt", wenn ihr Samen nicht geschluckt, sondern ausgespuckt wird. Da quakt der Frosch vor Freude.

Wir Feministinnen versuchen es mit der dritten Methode: Auch wir arbeiten hart am Mann. Wir fechten geistige Kämpfe mit ihm aus. Nur leider sieht der Frosch unsere besseren Argumente nicht ein. Seit den bewegten 70ern sitzt der Frosch nun öffentlich auf der Anklagebank. In der Anklageschrift steht: Der Frosch weigert sich böswillig, ein Märchenprinz zu werden. 1983 erschütterte Svende Merians "Tod des Märchenprinzen" die "Beziehungen". Die Autorin hatte per Inserat einen "unmännlichen Mann" gesucht - und scheinbar einen gefunden: Der Märchenprinz fungiert hier als Gegenbild zum traditionellen Mann. Doch dauert es nicht lange, und er ist entlarvt: Er will sich nicht um Verhütung kümmern, er schweigt, anstatt sich auseinanderzusetzen usw. usf. "Auch hier wohnt ein Frauenfeind", schreibt sie ihm am Ende an die Tür, vor die sie ihn setzt. Die Frau nach dem feministischen Bewußtseinssprung und der alte Adam - das geht eben nicht zusammen. Die Engländerin Serena Gray hat in ihrem Buch "Der Frosch im Märchenprinzen" eine herrliche Satire auf den weiblichen Wahn geschrieben, immer und unter allen Umständen unter dem Frosch zu leiden: Da ist einer Prinzessin jede Ausrede recht. Dieses subversive Werk ist unbedingt als "Erste-Hilfe-Medizin" für unsterblich in Frösche verliebte Frauen zu empfehlen. Serena Grays Fazit: "Die Frauen kompensieren fleißig für die Männer, statt von ihnen zu erwarten, daß sie sich wie Erwachsene benehmen. Sie denken sich Entschuldigungen für sie aus, statt sie wie die pubertären, egozentrischen, penisfixierten, unsensiblen Blödmänner zu behandeln, die sie sind." Die Autorin zieht noch ein zweites Märchen heran, nämlich das von des "Kaisers neuen Klei- dern". Sie stellt fest, daß es offenbar eine "geheime Verschwörung der Frauen gibt, die den Männern nicht sagen, dass ihr Hosenschlitz offen ist". So wird der Frosch weiterhin recht charmant behandelt - und keine sagt dem Frosch, daß er eben einer ist. Männer nur nicht vor den Kopf stoßen, Männern schön tun, männliche Erwartungen erfüllen, Männer bloß nicht mit der Wahrheit konfrontieren. Grays Theorie: Frauen sind befallen von einem kollektiven Prinzessinnen-Wahn. Wir Frauen sind selber schuld, wenn wir so blöd sind. Aber warum sind wir eigentlich blöd? Anders gefragt: Was treibt uns dazu, uns mit Fröschen einzulassen und sie zu ertragen? Die Amerikanerin Bonnie Kreps hat an dieser Stelle weitergedacht und kommt in ihrem Buch "Abschied vom Märchenprinzen" zu dem Schluß, daß Frauen, wenn es um den "Richtigen" geht, tatsächlich blind werden, in eine Art "Duldungsstarre" verfallen: dies aber aus gutem Grund. Sie haben schlicht Angst in einer immer noch von patriarchalen Werten bestimmten Gesellschaft, die nur scheinbar liberal ist, in Wahrheit aber, so wie früher, immer noch genau vorschreibt, wie sich ein "richtiger Mann" verhält und wie eine "richtige Frau". Die Definition, was als männliches, was als weibliches Verhalten anzusehen sei, dient der Etablierung und Aufrechterhaltung der Machtstrukturen. Zunächst hat der Mann einen hohen Preis zu zahlen: An der "Herrscherklasse" darf nur der Mann teilhaben, der bereit ist, auf jene menschlicher* Fähigkeiten zu verzichten, die im Konkurrenzkampf hinderlich sind. Die fallen infolgedessen einseitig den,/ Frauen zu. Das sind dann vor allem die -sogenannten "guten" menschlichen Eigenschaften, für die die Frauen ja so gerühmt werden. Dagegen wird "Männlichkeit assoziiert mit Distanziertheit, Indifferenz, Gefühlsarmut, Sturheit", zitiert Bonnie Kreps eine der vielen Untersuchungen - ^^ und da haben wir ihn auch schon, **^ den Frosch! Der sehnt sich irgendwo nach Erlösung. Doch er scheut sie auch: Denn dann wäre er ja kein "richtiger Mann" mehr - und was würden dann die anderen Männer sagen? Der Mann hat also gute Gründe, in den Frosch-Niederungen zu verharren. Und auch die Frau bleibt nicht zufällig Prinzessin: Über ihr hängt wie ein Damoklesschwert das vernichtende Urteil, daß eine wie sie womöglich keine "richtige Frau" ist. Das herrschende Frosch-System hat die relative materielle und rechtliche Unabhängigkeit der Frau noch notgedrungen hingenommen. Da aber, wo das Primat des Mannes selbst angegriffen wird, geht es ihm an die Substanz. Und dies läßt es nicht straflos zu. Eine echte Prinzessin kennt diese Machtverhältnisse. Äußerlich voll emanzipiert, sie ist berufstätig, unabhängig, selbständig, bleibt sie jedoch innerlich weiter zu Kompromiß und Unterordnung bereit.

Berufstätige erfolgreiche Frauen gibt es schon länger. Der Platz in der Männerwelt wurde ihnen um den Preis eingeräumt, daß sie auf ihre sexuelle Attraktivität, aufs Begehrtwerden verzichteten. Sie werden zum Neutrum und Unicum. Die berufstätige Frau von heilte jedoch will tüchtig und begehrt sein. Nach einer 4r amerikanischen Studie ist es genau diese Verbindung von Kompetenz und Sexualität bei Frauen, von der Männer sich schrecklich bedroht fühlen. "Autonome" Frauen sind eine Bedrohung für den Mythos der Männlichkeit. Der Frosch hat jetzt zwei große Befürchtungen: Erstens, daß sie sich nicht mehr unterordnen, und zweitens ihn nicht mehr bewundern will. Er fürchtet den entlarvenden Satz: Der König ist ein Frosch! Kein Wunder also, daß der Frosch etwas gegen unabhängige, autonome Frauen hat. Und weil Frauen das spüren, verhalten sie sich weiterhin "feminin", um Sanktionen zu entgehen. "Sogenannt feminines Verhalten gehört zur Strategie aller machtlosen Gruppen, die versuchen, ihre Erfolge so gut wie möglich zu verbergen, damit die Mächtigen ihnen nicht auf die Schliche kommen und etwas gegen sie unternehmen. Soziologen nennen das 'die Maske der Minderwertigkeit' anlegen", schreibt Kreps über das Phänomen, das Simone de Beauvoir schon vor einem halben Jahrhundert die "weibliche Sklavenseele" nannte. Und die Frauenrechtlerin Hedwig Dohm rief vor über 100 Jahren aus: "Mehr Stolz, ihr Frauen!"

Hinzu kommt, daß eigenständige, aus der traditionellen Rolle fallende Frauen oft selbst von der großen Befürchtung geplagt werden, am Ende seien sie keine "richtige Frau". Deshalb will auch die Prinzessin, je erfolgreicher sie rast, umso dringender erlöst werden: Der Frosch soll sie vom Fluch der Unweiblichkeit befreien. Eine Frau, die einen Mann hat, ist zweifelsfrei eine "richtige Frau". "Der Verdacht der Unweiblichkeit ist eine uralte Technik, Frauen durch Schuldgefühle unter Kontrolle zu halten. Die meisten Frauen spielen die feminine Rolle, zumindest bis zu einem gewissen Grad, weil ihnen gar nichts anderes übrigbleibt", analysiert Bonnie Kreps. Der Frosch wird sehr, sehr erleichtert sein, wenn er herausfindet, daß die Angebetete keine freie Frau, sondern eine eingezwängte Prinzessin ist. Zwar krittelt sie an ihm herum, doch ist für sie der Frosch nach wie vor das Wichtigste im Leben. Alles, was sie kann und ist, opfert sie bedenkenlos dem Frosch. Selbst wenn sie eine interessante Arbeit hat, .erfolgreich ist und von guten Freunden umgeben: neben ihm wird das alles reine Nebensache. Sie glaubt nämlich an die erlösende Allmacht der Liebe. Die "romantische Liebe" ist der Dreh- und Angelpunkt zur Aufrechterhaltung der Männermacht, das erkannten kluge Frauen schon vor hundert Jahren und müssen es doch immer wieder neu sagen. Die sogenannte "romantische Liebe" ist also die Ideologie, die Frauen um den gesunden Menschenverstand bringt, um sie zu verleiten, sich vor allem über den Mann zu definieren und sich damit ins männliche Machtgefüge einzugliedern. Sie ist der süße Guß, mit dem uns tagtäglich Schlager, Filme, Romane und Werbespots das Gehirn verkleben: Alles macht nur Sinn, wenn "er" uns liebt. Von klein auf lernen Mädchen, die Liebe sei der höchste aller Werte und irgendwann, von irgendwoher, käme er dahergeritten: "der Richtige, der Prinz!" Oh Wunder! Oh Himmelsmacht! Noch ist über die Prinzessin nicht alles gesagt. Zum Beispiel, daß sie im Schloß aufwächst, ein bißchen auf dem Sockel steht und sich zu gut für vieles ist. Schließlich ist sie eine Prinzessin und will und soll sich nicht die Hände schmutzig machen. Mag sie in anderen Bereichen tüchtig sein, da, wo es um ihre Beziehung geht, ist sie hilflos. Zupacken hat sie nicht gelernt. Sie kann nicht hinlangen, sie kann sich nicht holen, was sie braucht, sie kann nicht austeilen, nicht auf den Tisch schlagen. So kommt es zu dem Paradox, daß es ausgerechnet feine Prinzessinnen sind, die zuhause meistens das Klo putzen... "Bitte, bitte küsse mich nicht, ich will so bleiben wie ich bin!", ruft der Frosch im Witz, und jetzt verstehen wir noch besser, warum: Er will nicht das Klo putzen. Mal eine Frage: Wie bringt man einen Mann dazu, daß er sich von heute an regelmäßig am Kloputz beteiligt? Mit einem Kuß? Kein Wunder, daß sich die Frösche totlachen über soviel weibliche Einfalt! Aber wer redet eigentlich dauernd vom Küssen? Überall heißt es, die Prinzessin verwandle den Frosch per Kuß, aber das steht nirgendwo geschrieben! Im Märchen küßt die Prinzessin den Frosch ja gar nicht. Ganz im Gegenteil. Bei den Gebrüdern Grimm faßt sie ihn mit spitzen Fingern an. Gut, sie hat ein falsches Versprechen gegeben. Aber hatte der Frosch ihre Notlage nicht erpresserisch ausgenutzt, um ihr das Versprechen abzutrotzen? Hatte er ihr nicht geschickt einen Fallstrick gelegt, um sich ihrer zu bemächtigen? War dieser Handel -Prinzessin bekommt Kugel, Frosch bekommt Prinzessin - nicht unverhältnismäßig und schon deshalb sittenwidrig? Warum also des Frosches böses Ansinnen überhaupt als berechtigt ansehen? Schon als er ihr die Kugel aus dem Brunnen heraustauchte, hatte sie die Absicht, wortbrüchig zu werden. Für sie kam es gar nicht in Frage, daß ein Frosch ihr "Geselle" sein könne. Wäre da nicht der Vater mit seinen Prinzipien gewesen, hätte sie den Frosch auch niemals wiedergesehen. Dem Vater aber - eben auch nur ein Frosch, wenn auch ein alter - war die Prinzipientreue mit dem Jung-Frosch wichtiger als das Glück seiner Tochter. So zwingt er sie, mit einem völlig unzumutbaren Kerl ein Verhältnis einzugehen. Zunächst beugt sich die % Tochter. Sie teilt mit dem Frosch Tisch, Teller und selbst ihr Gemach -aber immer erst auf den ausdrücklichen Befehl des Vaters und immer erst nach einem Disput über Moral: "Wer dir geholfen hat, als du in Not warst, den sollst du hernach nicht verachten." Und der hinterfotzige Jungfrosch klemmt sich hinter den Altfrosch, es ist ein Komplott. Da nützt der Prinzessin alles Weinen nichts: "Als sie aber im Bett lag, kam der Frosch angekrochen und sprach: 'Ich bin müde, ich will schlafen so gut wie du: heb mich herauf, oder ich sag's deinem Vater'." In diesem Moment begreift die Prinzessin, wer sie wirklich ist. Sie empört sich über die unangemessenen Ansprüche des Frosches. Und sie begehrt auf gegen den hartherzigen Befehl des Vaters und die perfiden Drohungen des Frosches: "Da ward sie bitterböse, holte den Frosch herauf und war ihn mit allen Kräften wider die Wand: 'Nun wirst du Ruhe haben, du garstiger Frosch.'" Da endlich ist sie, die Verwandlung! Nämlich die Verwandlung der Prinzessin in eine autonome Frau, die ihre eigenen Interessen kennt, die für sich einsteht, die ihre Kräfte einsetzt, für sich kämpft - und die sich ganz und gar nicht prinzessinnenhaft verhält. Bleibt zum Schluß nur noch die Frage offen: Wie wurde aus dem widerständigen An-die-Wand-werfen im Märchen das heute vorherrschende Bild von der küssenden Prinzessin? Das ist doch wohl eine glatte Fälschung! Wer steckt da wohl dahinter? Ganz sicher der Frosch, der möchte, daß alles beim alten bleibt. Fast hätte es geklappt, aber dann hat er doch einen Fehler gemacht. Mit seinem zynischen Gelächter über die vergebliche Liebesmüh der Prinzessinnen hat er sich verraten. Warum war er nur so unvorsichtig? Sollte er sich in seinem tiefsten Herzen doch nach Erlösung sehnen? Aber nach der Richtigen? Und diesen blöden Prinzessinnen fällt nichts anderes ein als Küssen, immer nur Küssen...DANIELA WEILANDM

Der Froschkänisch
Frosch, Frosch, Fröschele,
isch kiss dir nät doi Göschele!
Grün kockscht misch aa
Mit goldischem Lohn -
Ah, was soll isch'n mit ähm Känischsohn???

Do hockt 'n Frosch un quaakt so dumm
Uff'm Rand vum Brunne rum,
glotzt misch aa mit schtiere Aage -
ah, do kann isch doch bloß sage:
Prinzessin werre will isch nät,
ah, des is doch nät schää!
In so äme protzische Himmelbett
Do frier isch an de Bää.
Do hoscht Goldlametta uff'm Kopp,
Diamanteknöpp am Klee,
und hockscht im gold'ne Käfisch rum.
Ah. Isch bin doch nät bleed.
Vun all dem Prunk
Schwerrt mir de Kopp,
am Tisch werd's foi un fad,
do bleiw isch liewer dehäm in Mannem
un ess Knödel mit Salad.

Joanas "Froschkänisch" hockt seit Wochen auf Nummer 1 der Hitlisten und führt auch die Bestenliste des Südwestfund an. Er ist eins von 13 Liedern der neuen CD von Joana: "Seitenlange Liewesbriefe".
Musikverlag Joana Emez, Vertrieb: Pegasus Records
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