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Blöde Helden

Verfasst von: Heymann, Lida Gustava
in: EMMA
1994 , Heft: 2 , 83 S.

Weitere Informationen

Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1994-2-a
Formatangabe: Buchauszug
Link: Volltext
Verfasst von: Heymann, Lida Gustava
In: EMMA
Jahr: 1994
Heft: 2
ISSN: 0721-9741
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Von Kind auf lebte in mir Abscheu vor Soldaten und Polizisten. Ohne zu wissen warum, graute mir vor diesen Menschen. ÄIter geworden, kamen mir Offiziere wie angeputzte Affen vor, mit ihren geschnürten Taillen, ausgestopften Schultern, dem bunten Tuch und blanken Tressen. Blöde schien mir die Heldenverehrung und geradezu pervers, daß man Menschen, die mordeten, plünderten, Frauen vergewaltigten, als Schützer des Vaterlandes, des Heimes und gar der Frauen und Kinder bezeichnete. Daß Frauen solchen Widersinn mitmachten, war mir unbegreiflich, erst viel später erkannte ich, daß die Mehrzahl der Frauen - "domestizierte" Frauen - ihre Natur völlig eingebüßt haben, daß sie eben gedankenlos nachplapperten, was Männer ihnen seit Jahrtausenden vorschwatzten. Die immer wieder vorgebrachte Entschuldigung: "Was kann der Mann dafür, daß er Soldat ist, der Staat zwingt ihn dazu", machte mir nie den geringsten Eindruck. Während der Jahre 1919 und 20 hatte ich oft Gelegenheit, mit Soldaten zusammenzukommen, ihr Verhalten zu beobachten, und mein Widerwille gegen diese staatlich geschulten Menschenschlächter verstärkte sich. Einmal vor dem Wittelsbacher Palais in München war ich Zeuge, wie ausziehende Soldaten sich sammelten, Waffen erhielten und wie sich dann dieser Soldaten ein beginnender Blutrausch bemächtigte: alles vibrierte in ihnen in sinnloser Hast, widerlicher Lust. Ein maßloser Ekel vor diesen Menschenbestien, die viel widerwärtiger als Tierbestien waren, packte mich. Nie habe ich den ganzen Irrsinn von Mann und Soldat, Staat, Krieg und Bürgerkrieg stärker empfunden als in dem Augenblick, wo ich den beginnenden Blutrausch dieser Menschenbestien in nächster Nähe erlebte. Tief unglücklich ob meiner Machtlosigkeit ihnen gegenüber trottete ich heim wie ein geprügelter Hund.

Sicher gibt es im Soldatenstand wie in allen Berufen bei den einzelnen Unterschiede in bezug auf innerliche Einstellung, Brutalität und menschliches Empfinden. (...) Immerhin, letzten Endes bleibt Soldat eben doch Soldat, ein auf Mord eingestellter Mensch, und in einem Punkt unterscheiden sich die roten und weißen Soldaten nicht: und der betrifft ihr Verhalten gegenüber dem weiblichen Geschlecht. Was mir in dieser Beziehung von zuverlässigen Männern berichtet wurde, wissen, glaube ich, nur wenige Menschen, aber es sollte allen Frauen endlich klar zum Bewußtsein kommen. Wiederholt kam es vor, daß 20 Mann und mehr nacheinander ihre geilen Sexualgelüste an einem Mädchen befriedigten, bis dieses ohnmächtig zusammenbrach, ohne daß auch nur einer von den Soldatenbestien ein menschliches Fühlen mit dem unglücklichen Opfer gespürt hätte.
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