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Der Wichser

Verfasst von: Feuerbach, Sieglinde
in: EMMA
1978 , Heft: 5 , 21 S.

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Einrichtung: FrauenMediaTurm | Köln
Signatur: Z-Ü107:1978-5-a
Formatangabe: Bericht
Link: Volltext
Verfasst von: Feuerbach, Sieglinde
In: EMMA
Jahr: 1978
Heft: 5
ISSN: 0721-9741
Sprache: Nicht einzuordnen
Beschreibung:
Der Wichser
(EMMA 5/1978, S. 21)

Held:männlich

Name:Dieter

Haarfarbe:dunkel

Haarschnitt:kurz

Kleidung:weiter Pullover

mit offenem, weiten Kragen, enge Hose

Farbe:beige

Szene:Peppermint-Club

Ich beschäftige mich mit meinem Terminkalender, da ich am nächsten Tag einiges erledigen will. Es spricht mich jemand an: Wenn du schon schreibst, dann schreib mir mal einen Brief. Da meine Notizen gerade beendet sind, komme ich diesem Vorschlag nach und schreibe einen Zettel voll unsinnigem Zeug, den ich gutgelaunt demjenigen gebe. Wir begegnen uns in der Nähe der Tanzfläche, grinsen nichtssagend, wollen beide tanzen. Tanzen. Mir ist unbekümmert albern zumute und ich spiele mit, als er mich reichlich dramatisch übertrieben an sich zieht.

Daß er seine Genitalien während des Tanzens an mir reibt, wird mir sehr unangenehm. Ich teile ihm das entschieden mit. Er sagt: Ich mach doch nur Theater, komm spiel mit, mach dir keine Gedanken, ist doch alles Zirkus. Ich spiele mit.

Er sagt: Ich bin Pulloverfetischist, habe sehr viel Selbstvertrauen, sehr viel Selbstbewußtsein, kenne viele Mädchen, bin nicht der Typ, der in den Peppermint-Club gehen muß um ... Er grabscht nach meiner Brust.

Ich bin genervt, will ihm den Spaß aber nicht verderben.

Als er meine Hand dramatisch gegen seine Genitalien drückt, wehre ich mich wieder. Eine wortreiche Auseinandersetzung. Er redet noch ziemlich vernünftig, und ich hoffe, daß sich die Meinungsverschiedenheiten erträglich regeln lassen.

Als ich nach Hause will schlägt er vor, noch zusammen in die Altstadt zu fahren. Mir ist es eigentlich gleichgültig, ich willige ein. Trotz des Vorhergegangenen habe ich kein Mißtrauen, und ich bin einfach neugierig,wo er noch hingehen will. Während der Fahrt fragt er: Du hast hoffentlich nichts dagegen, daß ich einen Porsche fahre? Nein. Es folgt eine blöde Konversation, ich fühle mich doch ziemlich unangenehm. Wir sind auf der Fahrt nach Kap-peshamm und halten irgendwo am Rhein. Ich soll von mir erzählen. Ich habe keine Lust. Soll er doch von sich erzählen wenn er will.

Er erzählt: Ich bin Fallschirmspringer, hast du was dagegen? Ich gehe oft mit Freunden segeln und ich höre gern Musik. Ich-bin-so-wie-ich-eben-bin. Und: Ich-nehme-mir-was-ich-will.

Er hängt sich plötzlich auf meinen Oberschenkel und rutscht darauf rum. Ich sitze sehr beengt, kann kaum atmen, bin erschrocken und aggressiv. Ich beiße zu, ins Gesicht. Er wird einen Moment ganz ruhig, sieht mich an. Er sagt: wenn du das nochmal machst schlage ich dich. Es klingt leise, gemein.

Mein Verstand schaltet sich ein. (Im Vertrauen gesagt, ich habe sogar einen, der, wenn er wach ist, ganz gut funktioniert.)

Ich wehre mich nicht mehr, lasse ihn rutschen. Japsen und Stöhnen. Ich denke, mach's kurz. Ich fasse sein Glied. Das Ekelgefühl in mir soll so kurz andauern wie eben möglich. Er ächzt in mein Ohr: Sag was, sag was liebes. Ich glotze ins Leere und versuche es schnell hinter mich zu bringen. Kurz vor dem Orgasmus sagt er gehetzt: Ich fick dich jetzt. Peng, alles vorbei, die Soße hangt in seinem Pullover, nicht an meiner Hose. Er klettert wieder auf den Fahrersitz und spricht in scheinbarem Selbstvorwurf: Jetzt tut es mir schon wieder leid.

Ich fühle mich ein bißchen un-an-ge-nehm,aber ich sage es nicht.Stattdessen sage ich: Mach dir nichts draus.

Szenenumschwung: "Der nette junge Mann"

Er fragt nach meiner Adresse und fährt mich bis vor die Haustür. Unterwegs ist er sehr freundlich und fragt noch, ob ich nicht mit zu ihm kommen will. Ich habe nur Angst...

Ich bemühe mich, ebenfalls freundlich zu sein, und ich erkläre mit einer Lüge,warum ich der Einladung nicht nachkommen kann. Ach ja - er wünscht mir zum Abschied noch alles Gute.

SIEGLINDE FEUERBACH

Infobox:
"Genauso ist es abgelaufen", schrieb uns "Sigi" noch hinten auf ihr Manuskript. Und: "Zur Aufdeckung solcher `peinlicher' Situationen, über die man im allgemeinen nicht spricht und schon gar nicht schreibt."
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