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Geschichte der Frauenbewegung: Materialsammlungen Helene Stöcker

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Einrichtung: FFBIZ-Archiv | Berlin
In: Akten, GM, ZD / Geschichte, Vergangenheit BRD
Bestell-Signatur: A Rep. 400 BRD 18.20.5
Jahr: 1905 - 1943
Sprache: Deutsch
Beschreibung:
1. Ingeborg Richarz
2. Das Material
3. Helene Stöcker

Vorliegend ist u.a. eine Materialsammlung zu Helene und Lydia Stöcker, gesammelt von deren Nichte Ingeborg Richarz, geb. Simons, Tochter von Helenes Schwester Hulda Simons, geb. Stöcker.

1. Ingeborg Richarz wurde am 29.1.1905 in Danzig-Langfuhr geboren. Da ihr Vater, Konrad Simons, Professor an der dortigen Technischen Hochschule, an die Universität La Plata vesetzt wurde, kam die Familie 1912 nach Argentinien.
1922 machte Frau Richarz dort ihr Abitur; von 1923-1926 studierte sie Jura und schloß ihr Studium mit dem Titel "abogada" (Rechtsanwältin) ab. Nach dem Studium kehrte sie nach Deutschland zurück und war zunächst als Referentin am Institut für ausländisches und internationales Privatrecht der Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft in Berlin tätig.
Vom Ende des Jahres 1929 bis 1935 arbeitete sie als wissenschaftliche Angestellte am Ibero-Amerikanischen Institut in Berlin. Als sie im Jahre 1935 zusammen mit ihrem Ehemann Dr. Hugo Richarz, den sie 1929 geheiratet hatte, ihren Sohn Peter bekommt, beendet sie ihre Berufstätigkeit.
Nach dem Tod ihres Ehemannes 1966 beginnt sie, sich verstärkt für ihre Tante Helene Stöcker zu interessieren. Dabei ist mitunter die gesamte Familie miteinbezogen, v.a. Sohn Peter. Besonders zum 100. Geburtstag startete Ingeborg Richarz eine rege Korrespondenz, um die Öffentlichkeit auf dieses Datum und und die Verdienste Stöckers hinzuweisen. Sie verfaßt eigene Texte zu Stöcker, sammelt Zeitungsausschnitte und Unterlagen zu ihrer beiden Vorfahren, unterstützt WissenschaftlerInnen, die zu Stöcker arbeiten u.v.m. Ingeborg Richarz hat entscheidend dazu beigetragen, Helene Stöcker dem öffentlichen Bewußtsein ein Stück näher zu bringen.

2. Die Materialien wurden dem FFBIZ als ein Geschenk durch Ingeborg Richarz' Schwiegertochter Jutta und Sohn Peter Richarz am 22. August 1922 übergeben.

Es handelt sich dabei in erster Linie um Materialien aus der Zeit nach Stöckers Tod, wie z.B. Briefe, die dazu dienen sollten, den Bekanntheitsgrad Stöckers zu steigern und auf ihre Verdienste hinzuweisen.
Diese Materialien stammen von verschiedensten Menschen und sind an verschiedenste Bereiche des öffentlichen Lebens gerichtet (z.B. Zeitungen, Zeitschriften, Verlage, Bundespost).
Außerdem sammelte Ingeborg Richarz Materialien, wie z.B. Urkunden, Stammtafeln zur Familiengeschichte Stöcker/Simons. Besonders ist in diesem Zusammenhang auf die Originalfotos von Helene Stöcker (inkl. Negativ) und deren Vorfahren hinzuweisen.

Inhalt der Sammlung sind auch Ausschnitte aus Büchern, Lexikon-, Zeitungs- und Zeitschriftenartikel über Stöcker, sowie auch einige Texte und Artikel von Stöcker selbst, die mehrheitlich in Kopie vorliegen.

Die Sammlung von Ingeborg Richarz könnte für Forschungen besonders für folgende Fragestellungen interessant sein: Welchen Raum gibt die Nachkriegsöffentlichkeit bekannten Frauen aus Kaiserreich und Weimarer Republik, die wegen der Nationalsozialisten emigrieren mußten?
Wie wird mit Frauengeschichte umgegangen, wie wird sie bewertet? (z.B. Länge von Lexikonartikeln, Auswahl von Briefmarkenmotiven etc.)
Auf welche Art und Weise reagieren die verschiedenen Zeitungen, Zeitschriften, Verlage, Institutionen, Ämter u.ä. auf jeweilige Anfragen?
Wie geht eine Frau, Jahrgang 1905, aus liberalem, weltbürgerlichem Elternhaus wie Ingeborg Richarz mit der Vita einer Helene Stöcker um? Was sind ihre Schwerpunkte?

3. Helene Stöcker, eine der bedeutensten Vertreterinnen der alten Frauenbewegung, Sexualreformerin und Pazifistin, wurde am 13.11.1869 in Elberfeld geboren und wuchs als älteste von acht Geschwistern in einer streng christlich geprägten Kaufmannsfamilie auf.
Sie ist eine der ersten Frauen in Deutschland, die sich als Gasthörerin einen Platz an der Universität erkämpft. Ihr Studium der Philosophie, Germanistik und Volkswirtschaft führt sie in den Jahren 1896-1901 nach Berlin, Glasgow, München und Bern, wo sie 1901/02 mit der Arbeit "Zur Kunstanschauung des 18. Jahrhunderts. Von Winckelmann bis Wackenroder" promoviert. In Deutschland war es Frauen zu diesem Zeitpunkt noch nicht möglich, den Doktorgrad zu erwerben.
Nach dem Studium läßt sie sich in Berlin nieder und heiratet den Rechtsanwalt Dr. Bruno Springer.

1905 gründet sie zusammen mit Ellen Kay, Gabriele Reuter, Max Marcuse, Adele Schreiber, Werner Sombart, Ivan Bloch und Lily Braun den "Bund für Mutterschutz" mit seinem Organ, der Zeitschrift "Mutterschutz", ab 1908 "Die neue Generation", die sie bis 1932 als Herausgeberin leitet.
Ziel des "Bundes" war in erster Linie die rechtliche Gleichstellung unehelicher Kinder und lediger Mütter. 1907 hatte der "Bund", der später in "Bund für Mutterschutz und Sexualreform" umbenannt wurde, bereits 4000 Mitglieder und Geschäftsstellen in zwölf deutschen Städten. 1908 konnten die ersten beiden Mütterheime eröffnet werden.

Die Mehrheit der etablierten Frauenverbände und deren führende Frauen wie Helene Lange, Gertrud Bäumer oder Marie Elisabeth Lüders standen H. St. und ihrem "Bund" wegen ihrer radikalen Ansichten sehr distanziert gegenüber. So wurde 1912 der Antrag auf Aufnahme in den "Bund deutscher Frauenvereine" als "nicht dem Volkswohl dienend" abgelehnt.

H. St.s zweites Hauptinteresse galt dem Pazifismus. Bereits 1902 sprach sie zusammen mit Prof. Ludwig Quidde in München auf einer Protestveranstaltung gegen britische Konzentrationslager für Buren in Südafrika.
Vom enthusiastisch-patriotischen Verhalten der Kirche zum Kriegsausbruch 1914 schwer enttäuscht, trat sie 1915 aus der Kirche aus.
Im selben Jahr nimmt sie in Den Haag am internationalen Frauenkongress mit Vertreterinnen aus 22 Nationen teil, was ihr heftige Beschimpfungen als "Vaterlandslose" einbringt.
Als Vertreterin des "Bundes" nimmt H. St. im März 1919 an der Tagung des "Internationalen Völkerkongresses" in Bern teil, die als eine Veranstaltung regierungsunabhängiger Organisationen die in wenigen Monaten stattfindende offizielle "Friendenskonferenz von Paris" vorbereiten soll.

Ostern 1912 wurde Helene Stöcker in Holland Mitbegründerin der "Internationale der Kriegsdienstgegner".
Nach einiger Durchsetzungsarbeit schlägt sich 1922 ihr pazifistischer Ansatz auch in einer Änderung der Vereinssatzung des "Bundes" nieder. Neben dem Mutterschutz wird nun auch der Schutz des Menschen gefordert. Die Rubrik "Vom Kampf gegen die Gewalt" wird zur ständigen Einrichtung im Vereinsorgan "Die Neue Generation".
Mit stetem Interesse begleitete Helene Stöcker die Entwicklungen in Rußland nach 1917. 1923 ist sie Mitbegründerin der "Gesellschaft der Freunde des neuen Rußlands", der auch Käthe Kollwitz, Albert Einstein und andere bekannte Menschen angehören.
Der Sowjetunion steht sie nach ihren beiden Reisen 1923 und 1927, von denen sie ausführlich berichtete, zunehmend kritisch gegenüber. Vor allem ihre pazifistisch-antimilitaristische Einstellung scheint nicht mit dem dortigen Experiment zu harmonieren.

Im Jahre 1929 wurde Helene Stöckers 60. Geburtstag in Berlin noch groß gefeiert, ein Gesetzentwurf der NSDAP-Fraktion im Reichstag zur Bestrafung pazifistischer Betätigung bis hin zur Todesstrafe war jedoch bereits vorgelegt. Fast 400 Zeitungen und Zeitschriften berichteten über sie als "Größe" der Weimarer Republik.

Noch vor dem 30. Januar 1933 verläßt Helene Stöcker Deutschland und geht in die Schweiz. Ihr engagiertes Eintreten für Pazifismus und für die Reformierung der Sexualreform war mit der aufkommenden nationalsozialistischen Politik gänzlich unvereinbar.
Prompt wurde ihr im Jahre 1933 die deutsche Staatsbürgerschaft aberkannt.

Sie reiste über London, Schweden und schließlich über Rußland in die USA ein. Hier stirbt sie am 24. Februar 1943.

Die Materialien zu Lydia Stöcker liegen unter der Signatur A Rep. 400 BRD 18.8 a zusammen mit anderen Materialien zur Geschichte der Mädchenbildung.

Die Materialien zum Bund für Mutterschutz betreff Dr. Helene Stöcker und Adele Schreiber sind ein Geschenk von Irene Stöhr an das FFBIZ.

Zwei weitere große Archivschachteln halten Kopien zu Helene Stöcker bereit, die dem FFBIZ von Christl Wickert überlassen wurden, um weiteren Nutzerinnen eine Archivreise in die USA zu ersparen. Diese Materialien wurden ebensowenig einzeln verzeichnet wie die weiteren kopierten Unterlagen von Christl Wickert zu Toni Pfülf und weiteren Frauen.
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